Ja, es hat lange gedauert, aber hier ist nun der Nachtrag zu Las Vegas. Kurz vorweg: Vegas ist wohl die anstrengendste Stadt der Welt. Tagsüber kann man nicht hinausgehen, da es zu warm ist, abends kühlt es auch nur wenig herunter und wenn man sich dann doch vor die Tür traut, verliert man vorzugsweise Geld. Dennoch ist es beeindruckend die ganzen Bauwerke zu sehen, die man sonst nur aus Filmen kennt.
Das ist schon mal was anderes
Nach so langer Zeit auf dem Trail ist es jedoch etwas ungewohnt so schnell, so extrem in die Zivilisation geworfen zu werden. Die Straßen sind voll von Glückssuchenden, die meisten sind betrunken (da man das hier nicht so eng sieht mit dem Alkohol in der Öffentlichkeit) und jeder dritte spricht dich an, damit du ja nicht den besten Stripclub der Stadt verpasst. Das Gute an der Sache ist jedoch, dass es unendlich viel zu Essen gibt. Ob Wings, Ramennudeln, oder Burger… Die paar Tage Vegas haben die komplette Trail-Diät zerstört.
40 Wings zum Mittag
Aber wie geht es jetzt weiter? Naja, die Hochzeitswoche ist vorbei und eigentlich wäre es Zeit für den Rückflug, nicht wahr? Ich habe mich aber dagegen entschieden, der Trail ist für mich hier ersteinmal zu Ende. Wieso? Mit der Woche in Vegas, der Woche hier in Deutschland und den Tagen, die wir uns auf dem Trail „frei genommen“ haben wird das ganze Vorhaben den Trail in einem Jahr zu beenden zum einen zeitlich recht knapp. Zum anderen liegt überall noch recht viel Schnee (wobei mir die Erdbeben in den letzten Tagen ja mehr Sorgen bereiten: Die ersten Sekunden zeigen den Walmart in dem wir waren). Das schränkt und aber auch in der Wahl der nächsten Abschnitte ein.
Ich für meinen Teil habe jedoch gelernt, dass ich auf so einen Spaß nicht mehr verzichten möchte. Ob es nun Longtrails, oder anderer Quatsch ist, für so ein Unfug muss nun mal Zeit im Leben bleiben. Dementsprechend werde ich auch den PCT in einigen Jahren weiterlaufen (wenn sich denn die Möglichkeit bietet), und dementsprechend ist auch dieser Blog nicht tot. Sagen wir eher, dieser Blog gilt für unbestimmte Zeit als pausiert.
Es wird immer deutlicher, dass wir die Wüste hinter uns lassen. Die Landschaft wird felsiger, die Luft wird kühler und irgendwann entdecken wir Schnee auf den entfernten Berggipfeln. Kennedy Meadows wird der Ort sein an dem wir den Trail verlassen um wieder zurück nach Deutschland zu fliegen.
Das Tor zu Kennedy Meadows
Tatsächlich besteht Kennedy Meadows eigentlich nur aus einen General Store und der Bar ‚Grumpy Bear‘, welche beide von Hikern belagert werden, die sich entweder noch nicht in die Sierras trauen, oder nach Oregon fahren um andere Sektionen vom Trail zu wandern. Jeder Neuankömmling wird unter Applaus begrüßt und es gibt rechtlich gutes Essen und das ein oder andere Bier.
Auch wir gönnen uns einen Eimer des Erfolgs
Wir bleiben zwei Tage in Kennedy Meadows. Da der Ort recht abgeschieden ist, kommen nur selten Autos vorbei. Über Facebook haben wir aber tatsächlich Menschen finden können, die uns nach Ridecrest fahren. Von dort soll es nach Vegas gehen. Es war zwar nie geplant von dort zu fliegen, war aber die günstigste Option. Erstaunlicher Weise finden wir auch einen Trail-Angel, mit dem wir kostengünstig mitfahren können. Meagan muss ohnehin nach Vegas um von dort aus nach Florida zu fliegen (wegen einer Hochzeit) und würde uns mitnehmen, wenn wir sie in Ridgecrest zum Essen einladen. Die Alternative wären entweder mindestens 9 Stunden Bus fahren, oder 200 Dollar für einen anderen Fahrer. Da haben wir noch mal Glück gehabt.
Die nächsten Tage waren echt schön. Man merkt, dass man den alpenähnlichen Sierras immer näher kommt. Die Landschaft wechselt sich mittlerweile zwischen wüstigen Hügeln und Kieferlandschaften ab. Auch soll es hier vermehrt Schwarzbären geben. Da der eingerissene Essensbeutel mit dem Beef-Jerky und den Ramen-Nudeln jedoch immer im Vorzelt liegt, fühle ich mich relativ sicher. Auch mit dem Wetter haben wir ausnahmsweise Glück. Immer um die Mittagszeit herum bilden sich starke Gewitter, die wir jedoch vor und hinter uns aus der Ferne betrachten können. Irgendwann erreichen wir die 1000-Kilometer-Marke.
Es ist schon komisch. In der ersten Woche hat man noch über das Aufgeben nachgedacht. Die Füße schmerzten und man dachte nicht im Ansatz daran, dass man es weiter als 200 Meilen schafft. Nun zu wissen, dass man 1000 Kilometer gegangen ist, ist schon irgendwie bewegend. Anders kann ich es auch nicht beschreiben.
Der nächste planmäßige Halt ist die Wüstenstadt Rigdecrest.
Irgendwann waren wir dann endlich in der Nähe von Tehachapi. Die Umgebung dieser kleinen Ortschaft besticht eigentlich nur aus zwei Merkmalen: Steinigen Hügeln und die Ausläufer einer der größten Windfarmen der Welt.
Und nur jede Zweite funktionierte
Die Ortschaft selbst ist eigentlich eher ruhig. An dem Wochenende, an dem wir jedoch ankamen, wurde eine Squaredance- und Folkdance-Convention veranstaltet. Die Straßen waren geprägt von Menschen, die entweder dreckig waren, zu viel Funktionskleidung trugen und stanken, oder aus der Zeitspanne der 1920er bis 1950er kamen. Wer mehr herausstach wurde bis zuletzt nicht ganz deutlich.Hier verbrachten wir zwei Zeros. Das Hotel, in dem wir unterkamen hatte ein Bett, eine Dusche und von 7 Uhr morgens bis 9 Uhr Abends Gebäudearbeiter auf dem Dach.
Keine 5 Sterne Unterkunft
Ich meine, es hat ja seinen Job getan, wir konnten uns etwas erholen, dennoch Geld zu zahlen für ein Zimmer, durch dessen Decke jederzeit ein Mensch fallen könnte, ist doch schon etwas seltsam.
Und dass das passieren könnte……sieht man an unserem Vordach.
Aber auch wenn es vielleicht nicht so aussieht, wir konnten uns doch ein wenig in Tehachapi erholen (dass bedeutet eher Bier zu trinken, zu essen und viel herum zu liegen, aber was soll man auch großartig machen, wenn die Beine stetig müde sind?).
Nach einem kurzen Abstieg bei dem uns die Bäume ihr Eis auf den Kopf warfen, waren wir dann endlich da: in der Mojave.
Sonniger sieht’s schöner aus
Leider hat sich ein Sturm angekündigt, der die Temperaturen senken soll. Aber auch der Sturm selbst macht in diesem Abschnitt Probleme, da sich nur wenig geschützte Zeltplätze auf den nächsten Meilen befinden. Also entscheiden wir uns für unseren nächsten Zero. Wir werden zum „Wee Vill Market“ gefahren. An diesem Truckstop können wir umsonst Campen, uns etwas resupplyen und, vorallem, gut essen.
Ja, das ist viel Butter auf den Pancakes
Irgendwann wird dann auch das Wetter besser und endlich können wir mit genug Kalorien im Magen weiterziehen. Und endlich steht das Los Angeles Aquädukt auf dem Plan. In den nächsten, sehr flachen 20 Meilen gibt es nicht viel zu sehen, außer einem Rohr, in dem das Wasser aus den Bergen Richtung L.A. fließt. Und genau auf diesem Rohr verläuft der PCT.
Walking on Metal
Normalerweise laufen die meisten Hiker diesen Abschnitt bei Nacht, da die Temperaturen am Tag zu sehr ansteigen. Wir aber haben ausnahmsweise mal Glück und es werden angenehme, sonnige 20 Grad. Leider haben wir verplant genug Wasser mitzunehmen und auch wenn man auf dem Aquädukt läuft, an das Wasser kommt man nicht ran. Das wurden recht lange 17 Meilen mit 1.5 Litern, aber glücklicherweise hat uns am Ende des Tages der Anblick eines weißen Bullies den Tag versüßt.
Das ist Trail-Magic
Ein Triple-Crowner (hat alle drei großen Trails der USA gemacht) hatte einige Getränke und etwas zu essen dabei.
Am nächsten Tag geht’s Richtung Tahachapi, unserem nächsten größeren Stop.
In letzter Zeit zeichnet sich die Wüste Kaliforniens nicht unbedingt mit Sonne und dem besten Wetter aus. Nach unserem Tag in Casa de Luna wurde jedoch das Wetter etwas entspannter (dachten wir zunächst).
Bestes Wetter und man kann schon die Mojave erahnen
Irgendwann kamen wir sogar an unserem nächsten Meilenstein an. Die 500er-Marke.
500!
Viel interessanter als diese Steine war dieses mal jedoch ein kleiner Eintrag in unserer Navigations-App. Kurz hinter den 500 Meilen soll nämlich die nächste Wasserquelle – eine steinerne Zisterne, in der ein toter Bär verwesen soll- sein. Okay. Alles klar. Also, dass es hier schon Bären gibt war uns ja bekannt, einige haben Schwarzbären in der Nähe von Campingplätzen mit Mülltonnen gesehen. Dass diese sich aber auch in Zisternen herumtreiben (welch Wortwitz) sollen war uns neu.
Dort drin soll der Bär wohnen
Als wir dann in der Nähe des runden Deckels ankamen, schlug uns auch schon der bestialischste Gestank entgegen, den man sich vorstellen kann. Ich meine: wir alle sind hier nicht grade die saubersten. Und man riecht hier manchmal echt merkwürdigen Kram. Aber das hier ist eine ganz andere Hausnummer gewesen. Zum Glück müssten wir nicht auf das dortige Wasser zurückgreifen, sondern konnten einige Meilen weiter zu einer neuen Quelle gehen. Dort verbrachten wir auch die Nacht. Und schon am Abend hat man im Zelt den Schnee an den Außenwänden des Zeltes kratzen hören. Am Morgen waren alle Bäume mit einer dicken Eisschicht bedeckt. Nur einige Meilen vor dem heißesten Abschnitt des PCT. Der Mojave.
Normalerweise sind hier 40 Grad
In dem kleinen Ort namens Agua Dulce existiert ein noch kleinerer Ort namens Hiker-Heaven.
Noch ist reichlich Platz da
Auf Meile 454,5 haben hier die Saufleys einen Anlaufpunkt für Hiker geschaffen, der keine Wünsche offen lässt. Ein Post-Office, Hiker-Boxen, ein kleines Party-Tent, einen Wohnwagen mit Duschen und Netflix und Amazon-Prime und… Ja, hier lässt es sich aushalten. Da sich mittlerweile viele Schuhe abgelaufen haben und man sich leicht Pakete zu diesem Ort schicken lassen kann, ist in einer Ecke des Gartens ein provisorischer Schuhfriedhof entstanden. Viele dieser Treter sind zwar in einem besseren Zustand als meine Trail-Runner, aber gut. Ist ja nicht mein Geld.
Das ist mal eine Sammlung
Agua Dulce ist ansonsten ein recht verschlafener, kleiner Ort. Natürlich haben wir die örtliche Pizzaria und den Mexikaner einen Besuch abgestattet und nach viel zu viel Essen und Soft-Drinks haben wir uns einen Tag später auf den Weg nach Green Valley, zur Casa de Luna gemacht.
Das Wetter wurde an dem Tag übrigens auch noch recht bescheiden.
Die erste und wohl nicht letzte Pfütze im Zelt
Casa de Luna ist ebenfalls ein von Trailangel organisierter Ort, der sich durch einen kleinen Wald hinter dem Haus auszeichnet, in dem man campen kann. Viele ehemalige Hiker haben hier Weisheiten auf Steine gemalt und diese im Wald verteilt.
Accept Herpes
Außerdem bekommt jeder Neuankömmling ein Hawaiishirt ausgehändigt (da das hier der „entspannteste Ort des Trails“ ist). Zudem verläuft jeder Abend in Casa de Luna gleich. Einige Freiwillige und Terry Anderson – ihr gehört das Anwesen – bereiten für alle Hiker Taco-Salat vor. Geschmolzener Käse, Chips, Tomaten, Zwiebeln, und, und, und… Das klingt erst einmal ekelig, schmeckt aber erstaunlich gut und hat vorallem einiges an Kalorien. Die letzte Waage hat angezeigt, dass ich in einem Monat etwa 7 Kilo abgenommen habe und ich will mich nicht drüber beschweren.
Morgens macht „Who’s your daddy“ (Trailname, und einer der Freiwilligen) für alle Pancakes. Mit Butter und Sirup hat auch diese Mahlzeit einiges an Wumms und bereitet uns etwas auf die nächsten Tage vor. Uns stehen etwa 40 Meilen bis ‚Hiker-Town‘ bevor. Da wir gerade noch so viel Verpflegung haben um dort hin zu kommen wird dort auf jeden Fall ein Resupply-Tag eingelegt.
Es regnet. Schon wieder! Klar, es ist der nasseste Trail seit Jahren, aber Regen in der Wüste ist echt nicht das Tollste. Vor allem, da es keinen Schutz und keinen Unterstand gibt. Das einzige, was wir tun können ist zu akzeptieren, dass einfach alles durchnässt sein wird. Und genau so kommt es. Der Trail verwandelt sich in einen Fluss.
Ja, das ist der Trail
Das positive an der ganzen Geschichte: Wir befinden uns in einem Filmset. Der PCT verläuft durch den Nationalpark „Vasquez-Rock“. Hier wurden gefühlt mehr Filme gedreht, als sonst wo in den USA. Und nach einem regenreichen Tag und einer etwas klammen Nacht, kann man das ganze auch genießen.
Diese schroffen Felsen scheinen berühmt zu sein
Serien, Musikvideos, Filme. Star-Trek, Monk, Battlestar Galactica. Die Liste ist lang. Um genau zu sein 4 Doppelseiten und pro Jahr kommen einige Einträge dazu.
Respekt an die Person, die sich diese Mühe gemacht hat
Hier, ganz in der Nähe, gibt es auch einen wundersamen Ort namens ‚Hiker Heaven‘. Dieser, von Trailangel organisierte Zufluchtsort ist unser nächster Halt.
Ein Aufstieg von 800 Metern mit Micro-Spikes und sehr steilem, schneeigen Gelände klingt nicht besonders verlockend. Und ehrlich gesagt war es eine Tortur den Baden-Powell zu besteigen. Während wir manche Menschen sahen, die die gesamte Strecke hochliefen (wirklich liefen; Stichwort: Trailrunner) versuchten wir mit unserem Gepäck möglichst nicht herunter zu kugeln. Der Schnee war schon stark angeschmolzen, was das Vorankommen auch nicht gerade einfacher machte. Aber allein für die Aussicht hat es sich schon gelohnt.
Im Hintergrund müsste irgendwo das Death-Valley sein
Die nächsten Tage verliefen quasi ereignislos, aber sie waren dennoch sehr anstrengend. Mit 18 Meilen am Tag kamen wir Kanada zwar näher, aber unsere Beine bedanken sich definitiv nicht dafür.
Gegen Mittag haben wir erfahren, dass wir 17 Meilen vor 17 Uhr machen müssen, da dann das Post-Office in Wrightwood schließt. Das wäre nicht so schlimm, wenn am nächsten Tag nicht Sonntag wäre, und wir so nicht an unsere Bounce-Box können und somit hier festsitzen würden. In unseren Boxen befinden sich die Micro-Spikes, die wir schon am San Jancinto gebraucht haben, und dringend für den nächsten Abschnitt benötigen.
Das Wetter ist den ganzen Tag miserabel. Es regnet, überall ist Nebel und es ist windig.
Hier könnte eine klasse Aussicht sein
Irgendwann kamen wir an den Highway, von dem wir versuchen wollten nach Wrightwood zu kommen. Viele Autos fuhren nicht, aber ein paar nette junge Leute nahmen uns dann mit. Später, nachdem wir unsere Bounce-Boxen geplündert haben, ist mit aufgefallen, dass ich wohl oder übel meine Trekking-Stöcke in deren Wagen gelassen habe. Klasse. Das war mal ein Geschenk einer guten Freundin. Und hier kosten die Dinger 120 Dollar. Total genervt, mussten wir uns dann noch eine Übernachtungmöglichkeit suchen. Da wir früher ankamen als geplant, hatten wir natürlich nichts vorbereitet. Also schnell noch mal eben über Airbnb ein Zimmer gebucht, jetzt ist eh schon alles egal.
Eine halbe Stunde später stehen wir vor einem zweistöckigem Gebäude. Uns öffnet Diane, eine aufgeweckte, ältere Dame, die Tür und begrüßt uns mit mehreren Bieren, da wir ja aus Deutschland kommen.
Frühstücksbier, was nach Kaffee schmeckt. Reinheitsgebot, nein danke!
Das hebt auf jeden Fall schon einmal die Laune, aber dann zeigt uns Diane die Werkstatt und das Hobby ihres Mannes. Jeff restauriert alte, selbstspielende Pianos und Orgeln. Das betreibt er schon seit 16 Jahren. Auch die Lochkarten, auf denen die einzelnen Songs basieren, locht er selbst.
Sehr schnell mündete so der echt bescheidene Tag in einen guten Abend mit Bier, guter Gesellschaft und fragwürdiger Musik.
Wir blieben auch noch den nächsten Tag in Wrightwood um das Wetter auszusitzen und uns etwas auszuruhen, denn uns steht ein anstrengender Aufstieg auf den Mount Baden-Powell bevor.
Irgenwann, ungefähr bei Meile 320, gehen wir am Silverwood Lake entlang. Mal ein Gewässer zu sehen, welches tatsächlich am Trail entlanggeht, ist wirklich mal ein kleiner Szene-Wechsel.
So sieht ein Urlaubsparadies in der Wüste aus
Besonders interessant sind jedoch die offiziellen Campingsplätze. Da diese meist von Urlaubern benutzt werden, gibt es hier echte Toiletten, Wasserspender und – am wichtigsten – man könnte sich hier Pizza herliefern lassen. Genau das haben wir auch probiert, sind jedoch an Netzschwierigkeiten und unfreundlichen Dominos-Mitarbeiterinnen gescheitert. Kurz vor dem Campingplatz haben wir jedoch ein Schild gesehen.
Vielversprechend
„Fishtank“, ein ehemaliger Pct-Hiker, möchte seine guten Erfahrungen mit dem Trail weiterreichen und versucht für drei Tage auf dem Campingplatz ein BBQ zu veranstalten. Das ist vermutlich das Beste, was uns in dieser Situation passieren konnte.
Ein kleiner Hiker-Himmel
Fishtank erzählte uns später, dass er dieses Jahr versucht nach den Sierras weiter zu wandern. Letztes Jahr musste er aufhören, da die Mutter seiner Freundin an Krebs erkrankt sei. Da er ein „erfolgreicher Vlogger“ ist, wie er sagt, hat er einige Sponsoren mit ins Boot geholt. Dementsprechend war er sogar mit Powerbanks ausgestattet.
Ansonsten erwähnenswert: Ich habe eine Echse gestreichelt.
Horn-Toad
Diese Mini-Drachen heißen Horn-Toads und sollen in eine Art Trance fallen, wenn man sie am Bauch krauelt. Das hab ich leider zu spät erfahren. Nächstes Mal wird’s ausprobiert.
In Big Bear selbst ist nicht viel passiert. Wir konnten super per Anhalter hineinfahren, haben einen relativ günstigen Schlafplatz in einem Motel bekommen und nach etwas Einkaufen und Essengehen (ja, das wird jetzt eher ein Food-Blog) ging es auch schon wieder auf den Trail.
Dort wurde ich von einigen ‚Poodle-Dog-Bushes‘ empfangen.
Verfilzte Mistdinger
Diese kleinen Pflanzen können Ausschläge und Juckreize verursachen, die über eine Woche anhalten. Setzt du dich in so etwas hinein, wirst du die nächste Zeit nirgendwo hinwandern.
Der Trail führt hinter Big Bear an einem kleinen Fluss entlang (wird Little Bear genannt – wirklich) und letztendlich liefen wir in brütender Hitze in eine Schlucht hinein.
Keine Wasserprobleme (ausnahmsweise)
Kurz hinter dem 300 Meilen-Marker gelangt man zu einigen natürlichen heißen Quellen, die in kleinen Steinbecken entlang des Flusses zu finden sind. Aufgrund der vielen nackten Hippies dort, habe ich lieber keine Fotos gemacht. Das soll auch nicht böse gemeint sein, es waren halt wirklich nur nackte Menschen dort, die direkt aus den 80ern kommen könnten, oder nackte Menschen, die mit einem Holzstab versuchen irgendeine Kampfkunst zu trainieren.
Mit etwa 30 Grad Außentemperatur und 90 Grad Wassertemperatur (gefühlt) hatte mein Kreislauf jedenfalls alle Hände voll zu tun nicht zusammen zu sacken. Naja, nach etwas mehr als einer Stunde hatte wenigstens nun auch der ganze Rest meines Körpers einen Sonnenbrand und immerhin das konnte ich von diesem Tag mitnehmen.
Lange habe ich geglaubt die Tourismusbranche muss Klapperschlangen erfunden haben. Jeder den wir getroffen haben und entweder ein Local war, oder sich mit dem Trail auskannte, meinte zu uns, dass wir in jedem Fall dieses Jahr Klapperschlangen sehen würden. Nach 3 Wochen: Nichts. Alles nur ausgedacht um Touristen in die Wüste zu locken? Viel mehr außer Sonne und Schlangen soll es hier doch auch nicht geben. Doch auf dem Weg nach Big Bear wurden wir dann lauthals eines besseren belehrt.
Danke, Kartoffelhandy. Vielleicht sieht man ja trotzdem etwas.
Nach einiger Zeit erreichten wir außerdem ausversehen einen neuen Meilenstein.
266 Meilen = 10%
Wir wussten nicht, dass so akribisch mitgezählt wurde, aber anscheinend haben wir 10% des Trails geschafft.
Die letzte Nacht war eine echte Katastrophe. 7 von 9 Heringe sind wegen diversen Sturmböen aus dem grobkörnigen Sandboden gezogen worden. Ab 3 Uhr saß ich im Zelt und hab versucht mich um windrichtung gegen das Innenzelt zu lehnen um wenigstens etwas die Zeltstangen zu schützen, die zwischendurch immer mal gefährlich nah gegen den Boden gedrückt wurden. Das letzte was man hier gebrauchen kann ist ein kaputtes Zelt. Nach ein paar Stunden fluchen bricht der Morgen an. Es bleibt aber auch den Tag über stürmisch.Wir gingen in ein Tal hinein, welches den Wind dann noch mehr bündelte. Dank des viel feineren Sandes fühlte sich das letzte Stück bis zum rettenden Highway an, als würde man gesandstahlt werden. Mit den reinsten Poren des Trails kamen wir mittags endlich an der Highwayunterführung an, die einerseits nach Cabazon, andererseits nach Palm Springs führt.Eine Stunde später saßen wir bei In-and-Out-Burger in Cabazon. Eine nette Frau, die unter der Unterführung Bier, Wasser und Chips für die hungrigen Hiker bereitgestellt hatte, hatte angeboten uns rüber zu fahren (so langsam kommt das Gefühl auf, der Trail führt von Burgerladen zu Burgerladen).
Nicht die besten Burger der Welt, aber immerhin so 1200 Kalorien
Unser Plan war es in einem Hotel in Cabazon zu übernachten. Da das Casino ‚Morongo‘ am nähesten war – und aus Mangel an Alternativen – checkten wir eben dort ein. Und das war mal ein Unterschied zu einem ruhigen Wanderweg. Überall Menschen, überall Lichter und überall Lärm. Dennoch könnte man sich ja mal an einen Automaten setzen.
Ohh jaa
Am nächsten Tag wird von dem Geld in Palm Springs bei einem Walmart eingekauft. Da dort ein echter Überschuss an Angebot herrscht, kaufen wir wieder für eine Woche ein. Der nächste Stop ist Big Bear Lake. 4 Tage entfernt.
Und so sieht das aus, wenn man zu viel Auswahl hat
Höhenmeter. Die nächsten Tage nur Höhenmeter. Von 1077hm auf 2118hm, runter auf 1828hm, wieder hoch auf 2835hm, dann auf 2455hm um letztendlich von 2724hm auf 366hm zu gelangen. Aber wer zählt schon Höhenmeter, richtig? Mit der Höhe kommt auch der Wind. Dieser ist so penetrant, dass er mir schon in der ersten Nacht auf diesem Berg eine Zeltleine zerreißt. Ich bermerke das erst gegen 4 Uhr morgens und versuche die laut hämmernde Zeltplane mit Ohrenstöpseln zu ignorieren.
Mit der Höhe kommen aber auch die guten Aussichten und man, kann man hier weit schauen.
Hat schon fast was von den europäischen Alpen
Dann endlich Schnee! Mal eine nette Abwechslung zu der Wüste. Da die Temperaturen tagsüber jedoch trotzdem in die 20 Grad klettern, schmilzt hier viel und es wird alles eine etwas zu rutschige und gefährliche Angelegenheit. Das gute an der Sache: Wir müssen nicht 4 bis 6 Liter Wasser mitnehmen, das Schmelzwasser formt immer mal wieder Bäche.
Die Luft wird immer dünner und die Höhenmeter machen uns zu schaffen. Als wir aber endlich an der Nordseite des Berges angekommen sind, gilt es nur noch bergab zu laufen. Da hier jedoch die Sonne nur bedingt auf den Berg trifft, kommt es immer wieder mal zu mehr oder weniger freiwilligen Rutschpartien. Trotz Microspikes wird es eine Mischung aus wirklich spaßiger und ernstzunehmender Angelegenheit.
Diese kleinen Dinger sind hier deine besten Freunde
Mal bricht mal hüfthoch während des Gehens ein, mal kann man einige Meter auf seinem Allerwertesten überbrücken:
Letztendlich schaffen wir es jedoch größtenteils wohlbehalten runter (die Gelenkschmerzen und verbogene Trekkingstöcke sind hier mal auszuschließen) und wir schaffen es sogar zu einem neuen Meilenstein:
200 Meilen (321,869 km)
Für die nächsten Tage sind nun wohl zwei „Neros“ (’nearly zeros‘ also keine echten Pausentage, aber weniger Meilen und mehr Pause als an normalen Tagen) geplant. Die Beine werden sich hoffentlich bedanken.
Den Luxus eines Jaccuzis ist man ja eigentlich nicht gewohnt, deshalb haben wir uns dazu entschlossen erst gegen Nachmittag zu versuchen zum Trail zu kommen. Den Mittag verbummelten wir mit Lunch und Burgern, unsere Bounce-Boxen mussten noch zur Post und dann wollten wir uns noch ein Eis kaufen, da wir ja technisch gesehen noch immer in der Wüste waren und wo kriegt man da schon mal ein Oreo-, oder Spongebob-Eis her? Erst dann haben wir uns an die Straße gestellt.
Einer der schöneren Orte um mitgenommen zu werden
Nach kurzer Zeit hält auch eine Frau an, die uns darüber aufklärt, was es mit der verbrannte Umgebung von Idyllwild auf sich hat. Ein Brandstifter (12 Jahre Gefängnis) hat einfach mal so, vermutlich aus Spaß, einen Waldbrand entfacht. Fünf Feuerwehrleute aus dem kleinen Örtchen sind dabei ums Leben gekommen, Teile des Trails waren bis Dezember letzten Jahres gesperrt.
Was soll man dazu noch sagen?
Zurück auf dem Trail gehen wir noch einige Stunden. Wie weit, keine Ahnung, weiß ich nicht mehr. Wichtiger ist jedoch: Wir haben Müll gefunden. Das ist insofern besonders, da wir mittlerweile an die grundlegenden Werte des Trailkarma glauben (ja, man hat hier echt viel Zeit sich über so etwas Gedanken zu machen). Die Zivilisation ist ja immer ein paar Tage entfernt. Deshalb ist es meist ein schwierigeres Unterfangen Müll loszuwerden, als in einer x-beliebigen, mülleimerreichen Stadt. Hier nimmt man sich diesem Müllschnipsel an, addiert ihn quasi zu seinem immer viel zu schweren Rucksack dazu, und trägt dann diesen Fehler eines Anderen für mehrere Tage raus aus der Natur. Damit angefangen haben wir kurz vor Lake Morena, jemand hatte seine Zeltunterlage in der Nähe des Trails liegen lassen. Einen Tag später lag dieses ‚Groundsheet‘ auch schon in einer Hiker-Box. Dafür haben wir dann direkt daneben, auf einem Campingtisch ein verlassenes, geschlossenes Bier entdeckt (man darf bei Trail-Karma halt auch nicht wählerisch sein!).
Long story short: Auch dieses Mal hatten wir genug Karmapunkte gesammelt. Am Abend nach diesem kurzen Tag, wir waren grade dabei etwas zu essen, kam ein anderer PCTler vorbei. Ob hier noch Platz für ein Zelt sei? Klar, dort drüben. Ob wir Lust auf ein Bier hätten? Bitte was? Er wollte wohl noch seine Freunde einholen, die seien aber vorausgelaufen. Außerdem habe er viel zu viel Essen dabei und wolle jetzt etwas Gewicht loswerden.
Wie gesagt: Nicht wählerisch sein!
Nach dem Bier bin ich übrigens noch mal hoch zum Trail um die Alufolie aufzusammeln, die ich dort gesehen habe. Und was wir nicht bedacht hatten: Die leeren Dosen mussten wir natürlich auch die nächsten 5 Tage schleppen. Das war es aber wert.
Müll gegen Bier. Ein Erfolgskonzept.
Genau so fühlt es sich grade an, denn die Tage sind super hart, werden aber in irgendeiner Weise entlohnt. Gefüllt mit der Pizza von Mikes-Place gehen wir 17 Meilen für einen grandiosen Sonnenuntergang.
Kitschig, oder?
Dann nur noch 8 Meilen bis zum Tagesziel: Eine Straße. Aber nicht nur irgendeine Straße, nein, denn diese Straße führt zu dem „Paradise Valley Café“ in dem es wohl mit die besten Bürger des PCT geben soll. Aber bis dahin war es im wahrsten Sinne ein einziges Auf und Ab. Diese 8 Meilen waren wohl mit die steilsten bis jetzt (oder ich war nur vom Hunger getrieben und/oder müde). Als irgendwann die Straße in Sichtweite ist, fährt ein Pick-Up-Truck vor. Ein Mann steigt aus, macht einige Fotos mit seiner Handykamera und meint, dass das wohl mal perfektes Timing sei. Es stellt sich heraus, das dieser Mechaniker einige Meilen mit dem reparierten Fahrzeug machen müsse, um sicher zu gehen, dass alles in Ordnung sei. Die Fotos mache er für eine Freundin, die hier in der Gegend mal gelebt habe, sie freue sich über Bilder aus der Heimat. Und natürlich würde er uns gern zum Café fahren. Uns alle (zu der Zeit waren wir wohl zu siebt). Auch wenn er zwei Touren fahren müsse. Jackpot!
Tausend Mal besser als Ramen-Nudeln
Nach dem Burger dachte ich kurz ich sei Amerikaner geworden, denn das war wohl das fettigste, was ich bis dato gegessen habe (im positivsten Sinne). Auch danach war uns das Glück hold. Wir wollten ins 18 Meilen entfernte Idyllwild um uns Vorräte zu kaufen und auch diesmal hielt jemand an. Die Frau, die vielleicht 2 oder 3 Jahre älter als wir war, meinte wir sehen viel zu ungefährlich aus um sie zu überfallen, da könne sie uns auch mitnehmen.
In Idyllwild hatten wir einiges zu erledigen. Zur Post unsere vorgeschickten Pakete abholen, irgendein Zimmer finden (es war schon etwas zu spät um zurück zum Trail zu fahren und weiter zu wandern) und vor allem Micro-Spikes kaufen. Diese kleinen Dornen für die Schuhe sind für die nächste Woche elementar, denn es geht auf 2800 Höhenmeter rauf und dort sei wohl alles vereist. Wir brauchten nur ein Paar, denn eine nette Frau im Café hatte uns ihre Spikes geschenkt. Sie brauche die nicht mehr, da sie von Süden über die Bergkette kam. Alles klar, 70 Dollar gespart.
Letztendlich haben wir im Idyllwild-Inn eingecheckt. Wir haben ein kleines Häuschen bekommen, an dem Eichhörnchen herumflitzten, wir hatten einen Fenseher, eine Küche, einen Jaccuzi (es ist keine gute Idee den Staub vom Trail im Jaccuzi loszuwerden. Das wird nur eine brodelnde Brühe) und eine echt idyllische Atmosphäre.
Ja, den Kamin haben wir genutzt
Ja, alles in allem fühlt man sich hier teilweise wirklich zwischen eigenem Dreck und Wellness-Wochenende hin und hergerissen. Aber vielleicht ist etwas Erholung nicht schlecht, denn die nächsten 6 Tage geht es über den San Jacinto, und das wird der höchste, kälteste und wohl auch gefährlichste Part in Süd-Kalifornien werden.
In Warner Springs nehmen wir unseren ersten „Zero-Tag“ (also ein Tag, ohne Trailmeilen zu machen). Und den haben wir auch bitter nötig. Unsere Füße sind vom ständigen Laufen und vor allen von der erbarmungslosen Hitze aufgeschwollen. Da der Platz in den Schuhen also echt eng wird, müssen wohl neue Treter her.
Der Schuh-Friedhof
Natürlich fällt es schwer die halbwegs neuen Trailrunner wegzuwerfen, aber der Unterschied zu neuen, zwei Nummern (!) größeren Schuhen in der Kombination mit Zehensocken ist enorm. Später stellt sich heraus, dass meine zurückgelassenen „Altras“ wohl eine neue Besitzerin gefunden haben. Ansonsten gibt es im Community-Center tatsächlich nicht viel zu tun, außer die elektronischen Geräte aufzuladen und beim Golf-Resort gut Essen zu gehen.
Effizient!
Die beiden darauffolgenden Tage sind recht schnell erklärt: Wir sind jeweils 17 Meilen gewandert, körperlich wieder komplett fertig gewesen, aber immerhin machen die Füße mittlerweile mit und die Blasen schwellen ab. Und dann kommen wir an dem berühmt, berüchtigten „Mikes-Place“. Mikes-Place ist ein Hiker-Treffpunkt mitten im Nirgendwo auf dem Anwesen von Mike. Da Mike nie da ist, überlässt er sein Grundstück ein paar Trail-Angeln und eben den ankommenden PCT-Wanderern.
Das Haus von Mike
Begrüßt wurden wir von „Smokey“, einem mexikanisch stämmigen, ehemaligen PCT-Wanderer, der uns ein wenig herumführt. Schnell wird klar: dieses Anwesen ist eine Mischung aus Hippie-Haushalt und Studententraum. Alles wirkt wild zusammengewürfelt und mehr oder weniger selbstgemacht.
Wenn das nicht mal der beste Sessel der Welt ist
Apropos selbstgemacht: Zuerst haben wir den Steinofen im Garten in Beschlag genommen und Pizza gebacken. Später kamen dann noch „Weird-Guy“ (trägt einen Plüsch-Hundeschwanz am Po) und „Zyklops“ (sieht so auf, wie der Name klingt) aus irgendeinem Ort zurück. Sie haben Bier und Soda mitgebracht und im Prinzip ist alles umsonst. Dennoch sollte man etwas Geld spenden, denn dafür werden zum Beispiel die Lebensmittel für die Pizza gekauft.
Alles in Allem ein komischer Ort, aber man will sich ja nicht beschweren. Am nächsten Tag werden wir mit 3 Tipps zum Umgang mit Ameisen („Ants are our friends“) wieder auf den Trail entlassen.
So sieht es aus, wenn man auf dem Trockenen sitzt
9 Meilen ohne Wasser. Beziehungsweise mit nur einem Liter. Das ist hart, aber die Alternative wären 2 Meilen den Trail runter. Also lieber so. Unterwegs sehen wir die ganze Zeit den Highway. Da soll irgendwo Scissors Crossing sein. Im Prinzip ist Scissors Crossing eine Kreuzung, aber für die PCT-Wanderer ist es ein kleines ausgetrocknetes Flussbett unter dem Highway. Hier bringen regelmäßig Trail-Angel Wasser her, welches wir grade auch dringend benötigen. Nach einigen wirklich trockenen Stunden erreichen wir endlich die Unterführung und können wieder aufwassern. Dann noch eine böse Überraschung: Mike (den wir unterwegs kennengelernt haben) kommt humpelnd vom Trail. Ihn erwartet ein Doktor, der auch zufällig den PCT wandert. Irgendwas stimmt mit seinem Knie nicht. Vorerst war’s das wohl für Mike.
Einen Tag später, mitten am Tag, realisieren wir, dass übermorgen Ostersonntag ist. Wir haben zwar schon 10 Meilen gemacht, wollen aber noch so viel wie möglich schaffen, um es am nächsten Tag noch nach Warner zu schaffen. Denn Ostersonntag hat dort alles geschlossen (sagen die Gerüchte).
Also wird das der bis jetzt längste Tag werden. Einige Stunden später bin ich komplett am Ende. Das Laufen funktioniert nur noch automatisch, jeder Schritt tut weh. Meine Füße sind von der Hitze aufgeschwollen und drücken gegen die Blasen an meinen Zehen. Und es wird auch schon langsam dunkel, als wir an dem 100-Meilen-Marker ankommen. Genießen können wir das nicht, ein Foto wird trotzdem gemacht.
Die 100 Meilen helfen auch wenig
Irgendwann kommen wir am geplanten Zeltplatz an. Und dort erwarten uns plötzlich mindestens 20 Leute und 8 Trailangel. Ein Buffet ist aufgebaut, ein Grill läuft. Es gibt Hotdogs, Bier und Marshmallows. Unglaublich gut. Ich bin fast schon den Tränen nahe. Später wird noch ein Lagerfeuer angezündet. Gehen kann ich kaum noch, ich humpel eher von Tisch zu Tisch, aber für das ein oder andere Bier reicht es noch grade so.
Und so kann sich das Blatt wenden
Am nächsten Morgen geht es meinen Füßen nicht wirklich besser. Aber die Trailangel haben mit uns gecampt und haben uns Frühstück gemacht.
Nach einer ordentlichen Stärkung stehen 9 Meilen humpeln nach Warner an. Zumindest sind wir aus der Wüste raus. Komisch wie schnell sich hier die Landschaft verändert. Alles wird grün und lebhaft. Wir treffen sogar einige Milchbären.
Wenn man die zähmt, kann man bis nach Kanada reiten
Aber auch wir kamen irgendwann endlich in Warner Springs an. Und wie sich herausgestellte, war das Community Center dort das reinste Hiker-Paradies. Wir konnten unsere Zelte aufstellen, es gab Eimer-Duschen, in der Nähe gab es einen Golfplatz mit einem Restaurant und es gab sogar einen Outfitter, bei dem man sich neues Equipment kaufen konnte. Das schreit förmlich nach einem Tag Pause.
Ja, das ist der Outfitter und ja, man kriegt in diesem Trailer ALLES was man braucht
Nach einer Dusche und etwas Schlaf fühlt man sich wie neu geboren. Da die Lodge ein Bed & Breakfast ist, ist das Frühstück inklusive. Das greifen wir natürlich auch ab, wir brauchen ja jede Kalorie, die wir kriegen können. Im Foyer der Lodge sitzen neben ein paar anderen Hikern (und zwei älteren, sehr interessierten Damen) Andy und Annerös Frei. Die beiden gebürtigen Schweizer, die auch unter den Namen Mountain und Lion bekannt sind (und auch gut Hochdeutsch sprechen, wenn sie möchten) haben wir schon am ersten Tag getroffen und kurz kennenlernen dürfen. (Ihr Blog ist sehr gut) Wir unterhalten uns über dies und jenes, aber besonders intensiv unterhalten wir uns über Jannis Füße und Schuhe. Es wird empfohlen die Schuhe an bestimmten Stellen einzuschneiden und diverse Tipps für die richtige Blasenpflege werden auch gegeben.
Nach einer Verabschiedung und einem sehr merkwürdigen Check-Out (der Hotelhund hat sein (sehr) großes Geschäft am Tresen der Rezeption verrichtet und unsere Check-Out-Dame ist unglücklicherweise hineingetreten) geht’s wieder Richtung Trail. Auch dieses Mal haben wir beim Trampen Glück und der Fahrer stoppt direkt auf der Fahrbahn. Der Mann, der angibt Langeweile zu haben, da er grade nicht arbeiten kann und auf eine Rückenoperation in der nächsten Woche wartet, fährt uns deshalb liebend gern zum Trail zurück, auch wenn es gar nicht in seiner Richtung liegt.
Da hat es aufgehört, da fängt es wieder an
Bei schönstem Wetter – ich habe sofort wieder einen Sonnenbrand bekommen, diesmal auf den Waden – machen wir noch 6,5 Meilen, bis wir an einem wunderschönen Bergkamm unser Lager aufschlagen. Jannis schneidet wirklich seine Schuhe ein. Nützt wohl alles nicht’s. Da ich dem Wetter nun wieder vertraue und ich auch etwas neugierig bin, versuch ich mich im Cowboy-Campen. Das bezeichnet im Prinzip das Schlafen unter freiem Himmel, aber Cowboy-Campen klingt cooler. In 1265 Metern Höhe habe ich auf jeden Fall eine ganz nette Aussicht.
Da irgendwo soll morgen die Sonne aufgehen
Als es schließlich dunkel wird, kommt der Vollmond hervor und von irgendwo her heulen die Wölfe. Das beunruhigt mich zwar kurz, aber dann fällt mir wieder ein, dass in der Nähe das California Wolf Center ist. Dann fällt mir wiederum ein, dass es hier Berglöwen gibt und die sich nicht durch ein Heulen bemerkbar machen, sondern sich anschleichen und ihre Beute aus dem Hinterhalt töten. Das beunruhigt mich dann doch.
In der Nacht merke ich, dass meine aufblasbare Isomatte ein Loch hat und Luft verliert. Langsam aber stetig…
Es war doch nicht so schlimm wie befürchtet. Die Temperaturen sanken nicht unter den Gefrierpunkt, der Wasserfilter ist nicht gefroren und wir beide leben noch. Immerhin war das doch mal ein super Cliffhanger für den Blog!
Trotzdem war ich heilfroh, dass am nächsten Morgen mein Zelt noch stand. Genauso wie mein Zelt, war leider auch der Wind noch da. Hilft ja aber alles nichts, wir mussten weiter. Der Wind brachte den Nebel (oder sind das hier oben dann direkt Wolken?) mit sich. Dementsprechend war die Sicht auch beschränkt.
Ist das Bigfoot?
Nach langen 11,7 Meilen Wind und Nebel war jedoch entgültig Schluss. Wir hatten den Tag über schon Gerüchte über Unwetterwarnungen und Sturmböen gehört. Als wir dann eine Straße erreicht hatten, kamen wir zu dem Entschluss, dass es das beste wäre zu versuchen nach Julien – die nächste kleine Ortschaft auf unserer Route und eigentlich noch 2 Tagesmärsche entfernt – zu kommen. Natürlich per Anhalter. Das hatten wir beide noch nie gemacht und irgendwie war es auch befremdlich auf Autos zu warten und den Daumen rauszuhalten. Jedoch standen wir keine 5 Minuten an dem Highway, als ein Auto hielt und uns der Fahrer mitnahm. Der Mann im Wagen wollte eigentlich selbst heute raus in die Natur – da er spontan zwei Tage frei gekriegt hatte und die Kinder auch weg waren – hat sich dann aber doch spontan dagegen entschieden (das konnten wir aber gut nachvollziehen).
Die erste Anlaufstelle in Julien war für uns „Mom’s“. Dort gibt es für alle PCT-Hiker Apfelkuchen und Eis für lau. Dann haben wir mit etwas Glück noch ein Zimmer in der „Julien Logde“ bekommen und konnten uns in Ruhe resupplyen und Wäsche waschen.
Der halbe Trail in einer Wanne
Der Plan der nächsten Tage ist es zurück zum Trail zu kommen und von da aus direkt weiter nach Warner Springs zu wandern. Ohne einen weiteren Halt in Julien. Das bedeutet: Die nächsten Tage wird sehr viel Proviant geschleppt. Und das über ungefähr 19 Kilometer oder 12 Meilen (Minimum) pro Tag. Ob das die Schultern mitmachen…
So sieht hier Essen für 5 Tage aus
Ende von Tag 4. Wir sind bei Meile 48,6 angekommen (78,2 km) und liegen in unseren Zelten auf ca 1650 Höhenmetern. Morgen erreichen wir dann mit Meile 50 unseren ersten halbwegs großen Meilenstein (Haha). Die letzten Tage waren hart. Denn ja, hier fließt Wasser, aber dennoch ist es Mittags brütend heiß. Nachts sinken die Temperaturen jedoch in den einstelligen Bereich. Diesen Temperaturschwankungen habe ich aufgeplatzte, trockene Lippen und einen chronischen Sonnenbrand zu verdanken. Und meine Fingernägel sind auch nicht mehr sauber.
Auch heute wird die Tempertur ihren eigenen Kopf durchsetzen. Nur befinden wir uns nun in einer Höhe, in der es nicht unwahrscheinlich ist, dass die Temperatur unter den Gefrierpunkt sinkt. Deshalb liegt auch mein Wasserfilter in meinem Schlafsack, und ja, ich weiß, das klingt komisch. Aber alles ist besser als hier verdorbenes Wasser zu trinken und dann die nächsten Tage versuchen zu müssen in eine Stadt zu gelangen.
Außerdem ist es grade so stürmisch, dass wir unsere Zelt-Heringe mit dicken Steinen beschwert haben. Irgendetwas verrät mir, dass dies eine nicht besonders erholsame Nacht wird. Laut Wetterbericht werden diese Strapazen morgen dann mit einem ganzen Tag Regen belohnt. Na, klasse. Zumindest die Aussicht entschädigt ein wenig:
Das da hinten soll wohl die echte Wüste sein
Sidestory:
Im „Blasen bekommen“ führt im Moment Jannis mit 6 (ungefähr, man hat aufgehört zu zählen) zu 1 (oder 2, da ich mir nicht sicher bin wie ich zählen soll, wenn man zwei Blasen auf einer Stelle hat).
Man hört nur einige einzelne Ventile von Luftmatratzen, und dann setzt sich der ganze Garten der Manns in Bewegung. Heut ist der Kickoff von 23 von uns, inklusive Jannis und mir. Im Licht unserer Kopflampen versuchen wir so leise wie möglich unsere Sachen zu packen, um die restlichen, Nicht-Starter nicht zu wecken. Dann die gepackten Rucksäcke auf die Veranda bringen und Frühstücken gehen. Die Manns machen wie jeden Morgen Frittata mit Salsa, Muffins und Oatmeal. Dazu frischen Kaffee. Ich nehme mir fest vor einen Frittata-Freitag oder auch den Frittatatag einzuführen, denn das Zeug ist echt lecker, und vorallem macht der Name „Frittatatag“ echt was her.
Um kurz vor sechs steigt die Aufregung. Die Autos werden beladen und dann geht’s Richtung Grenze.
Nach einer Stunde Fahrtzeit steht dort dann auch schon der südliche Terminus des PCT. Und genau da findet auch für die nächsten 30 Minuten das tägliche Fotoshooting statt. Jeder will ein Bild von sich und den vier Holzpfählen und natürlich will auch jeder ein Gruppenbild des heutigen Tages haben. Das lässt sich natürlich verurteilen, dennoch haben wir selbstverständlich auch dazu beigetragen. Irgendwie gehört das auch dazu.
Der südliche Terminus
Nach 30 Minuten geknipse geht es dann auch los. Wir gehen mit Ive, einem Schweizer, der aber irgendwann so schnell ist, dass wir beschließen ihn allein nach Lake Morena gehen zu lassen. Bis dahin sind es 20 Meilen, wir wollen in etwa 12 machen, einfache Rechnung: Das wird so nichts. Wie sich später herausstellen wird, soll das auch nicht zu unserem Nachteil sein.
Schon bei den ersten Meilen durch die Wüste wird klar: die Wüste lebt. Hier ist es mal so ganz und gar nicht trocken. Alles ist frühlinghaft grün und es fließen Bäche, die sonst ganzjährig ausgetrocknet sind. Trotzdem scheint die Sonne unglaublich stark und ich werde am ersten Trailtag nicht um einen Sonnenbrand auf beiden Händen herumkommen (ich hab irgendwann auch realisiert, dass wir uns die ganze Zeit 1000 Meter über Normalnull bewegt haben. Klar, dass einem da bei Sonnenschein die Haut verbrennt).
Das sollte eigentlich alles braun sein
Bei Meile 12 angekommen sitzen auch schon einige andere Hiker auf dem kleinen Plateau neben dem Trail, der heute als Platz zum campieren dienen wird. Wir setzen uns dazu, quatschen über dies und jenes, es wird gefragt wo Ive ist und manche machen es ihm nach und versuchen heute noch den Aufstieg mach Morena zu schaffen. Ein total machbares Ziel, denn es ist erst knapp 16 Uhr. Doch kurz nachdem die letzten gegangen sind fallen einer jungen blonden Frau, dessen Name mit M beginnt (ja, ich und Namen…) die dunklen Regenwolken auf. Wir schaffen es noch grade die Zelte aufzubauen, als es anfängt zu gießen. Und so schnell hört das auch nicht mehr auf. Ob es die anderen geschafft haben, oder ob sie vom bösen, heimtückischen Wüstenregen überrascht worden sind, werden wir wohl die nächsten Tage erfahren.
Also, das Fazit vom ersten Tag:
12 Meilen sind okay
Jannis hat ein Loch in seiner Luftmadratze
Ich habe einen schmerzhafen Sonnenbrand und meine Schultern bringen mich um
Das liegt daran, dass ich keine Sungloves habe, aber Vorallem denke ich dass mir mein Rucksack nicht passt, was ein echtes Problem darstellt
Aber immerhin hält mein Zelt etwas Regen stand.
Übrigens das gab’s heute zum Mittag:
Lecker Ramen-Tunfischsalat-Burrito!
Guten Hunger!
Die letzten beiden Tage vor unserem Kickoff verbringen wir, so wie die meisten anderen auch, bei Scout & Frodo. Scout und Frodo, auch bekannt als die Familie Manns, bietet schon seit Jahren PCT-Hikern eine Unterkunft, fahren sie zum Trail und zu Outdoorläden, sowie zu einem Mobile-Shop. Achja, Frühstück und Abendessen gibt es auch. Alles für umsonst! (Das Einzige was Scout sich wünschen würde ist, dass man eines seiner Bücher kauft, was ich definiv auch tun werde wenn ich wieder in Deutschland bin. Die Erlöse kommen der Non-Profit-Organisationen der jeweiligen Trails zu Gute.)
Und genau deshalb sind wir hier. Wir besorgen uns Sim-Karten, gehen einkaufen und versuchen so viel wie möglich zu essen. Untergebracht sind wir in einem großen Zelt in dem sechs Leute Platz finden.
Das unaufgeräumte Bett ist übrigens meins
Insgesamt sind über 30 Leute bei den Manns, alles künftige Wanderer, oder Freiwillige, die helfen diese Flut von Menschen zu versorgen.
By the Way: Gute Nachrichten! Mein Zelt ist angekommen. Nur meine Regenjacke nicht. Aber ich hatte Glück, eine Regenjacke in genau meiner Größe, in genau der bestellten Farbe und von genau der selben Marke liegt in einer der drei Hiker-Boxen im Wohnzimmer. Hiker-Boxen sind (welch Überraschung) Kartons oder Boxen, in dem die Leute Dinge reinwerfen die sie nicht mehr gebrauchen, aber noch zu gut zum wegwerfen sind.
Natürlich gehen wir auch einkaufen. Geplant ist Essen für die nächsten 4 Tage mitzunehmen, tatsächlich haben wir wohl Nahrung für eine Woche im Rucksack. Ich versuche mich an meinem ersten Trail-Mix, der aus Erdnüssen, klein geschnittenen Twix und Cliff-bars, getrockneten Cranberries und M&M’s besteht. Das wird wohl das ekeligste sein, was ich je „gekocht“ habe.
Letztendlich steht das endgültige Wiegen an. Die sogenannte „Scale of Truth“ ist im Wohnzimmer. Dank der Wochenration bestehend aus Ramen, Kartoffelbrei, meinem Trail-Mix und Riegeln, komme ich auf gute 14,78 Kg. Könnte schlimmer sein, könnte aber auch besser sein. Am Ende unseres zweiten Tages hier gibt’s nochmal eine dicke Überraschung. Jemand hat Kuchen gekauft.
Der letzte Kuchen für eine Weile
Und so geht’s wohl mit Kuchen im Magen in den Schlafsack. Morgen wird um 5 Uhr aufgestanden, um 5:30 Uhr gibt’s Frühstück und um 6 Uhr verlassen wir die Manns und fahren endgültig Richtung Grenze.
Ich habe eine Stunde geschlafen. Eine Stunde komatöses Liegen, von 3 bis 4 Uhr, dann noch einmal den gepackten Rucksack überprüfen um sich dann in aller Eile einen Schluck Kaffee und einen Toast reinzuwürgen. Es beginnt.
Ein paar Stunden sitze ich im ICE auf dem Weg zum Frankfurter Flughafen. Ich kriege nur Wasser runter und kein Auge zu. Auf den Plätzen neben mir wird lauthals irgendein Quiz gespielt. Die größte Wanderdüne der Welt befindet sich übrigens in Frankreich. Immerhin das nehme ich von der Fahrt mit dem ICE mit.
Dann, irgendwann in Flieger nick ich hin und wieder mal für 30 Minuten ein. Die Beinfreiheit beträgt genau 5mm, aber immerhin hat man über Grönland einen spektakulären Ausblick. Das aber auch nur hin und wieder und wenn, dann nur kurz, denn das ganze Eis ist so grell, dass es alle anderen Passagiere blendet. Nach etwa 11 Stunden flug werden wir in Seattle von der Homeland Security aufgegriffen. Da uns unser netter Sachbearbeiter wohl nicht glauben wollte, dass wir extra zum Wandern um die halbe Welt fliegen, mussten wir in einen extra Raum gebracht werden. Um „weitere Dinge zu klären“. Eine Stunde später werden wir schließlich doch durchgewunken und kriegen unsere Stempel. Dafür werde ich bei der nächsten Sicherheitskontolle für den Anschlussflug ausgezogen. Mein Dutzend von zuhause mitgebrachter Snickers macht Probleme. Also: Schere her und den Rucksack von der Plastikfolie befreien, die wir in Frankfurt um unsere Backpackes haben wickeln lassen. Nachdem sich die Sachbearbeiterin versichert hat, dass es nur um Snickers und keinen C4-Sprengstoff handelt können wir endlich in unseren Flieger nach San Diego steigen, in dem schon die letzten Vorbereitungen getroffen werden.
3 Stunden später sind wir endlich am Hostel, an dem wir von anderen Gästen Bierpong-spielend empfangen werden. Unser Zimmer ist pink und alles riecht hier nach Gras. Immerhin können wir noch einige Stunden schlafen, bis wir am nächsten Morgen abgeholt werden. Am Ende des 28-Stunden-Marathons musste Jannis dann nur noch die Toilette im Hostel-Bad reparieren und feststellen, dass er anstatt Duschgel Bodylotion eingepackt hat. Alles in allem ein ganz guter Anfang.
Es fühlt sich ein wenig surreal an. Seit etwa einem Jahr liege ich Freunde und Familie mit der Idee des PCT in den Ohren. Und nun sind es noch ziemlich genau 36 Stunden bis ich in einen Zug steige, der mich nach Frankfurt bringt um von dort über Seattle nach San Diego zu gelangen. 36 Stunden und ich fühle blanke Panik in mir aufsteigen. Was denk ich mir denn nur dabei?
Okay, ich gebe zu, an meiner Situation bin ich nicht ganz unschuldig. Ich habe mir erst vor zwei Tagen ein Zelt bestellt. Die Vorgänger-Unterkünfte mussten leider alle wieder zurück, da ich entweder zu wenig Platz hatte, oder ich mir von vornherein Quatsch bestellt habe (oder eine Mischung aus beidem). Dieses ist nun auf den Weg in die USA und dort werde ich es aufgreifen müssen. Meine Regenjacke? Das gleiche Problem! Es gab einfach viel zu viel Auswahl. Ich konnte da nichts für, ehrlich! Ich meine, ja, okay, ich hatte quasi ein ganzes Jahr Zeit mich um alles zu kümmern. Das Visum habe ich auch schon etwas länger. Aber ich denke man unterschätzt leicht, was es für ein Aufwand ist aus seiner Wohnung auszuziehen, Geld zu verdienen und etwas Reisefertig zu werden.
Nun hab ich den Salat. Ich reise für etwa 6 Monate in die USA und habe es leider vorher versäumt eine Nacht draußen zu schlafen, geschweige denn meine Ausrüstung zu erproben und zu testen. Wenn ich das so niederschreibe fühle ich mich alleine schon in meinem Bemühen leicht deplatziert. Dabei klingt der theoretische Plan ganz gut: Jannis (ein Mitleidender, der verrückt genug war auf diese Idee einzugehen) und ich nehmen am 9.4. einen Flieger nach San Diego. Dann übernachten wir eine Nacht in einem Hostel um am darauffolgenden Tag von Scout & Frodo (bekannte Trail-Angel) abgeholt und zu deren Haus gefahren zu werden. Von dort koordinieren wir die nächsten 2 Tage. Wir müssen uns Sim-Karten besorgen, zu diversen Outdoor-Läden fahren und uns mit den Mysterien des amerikanischen Postsystems vertraut machen. Am 12.4. werden wir dann hoffentlich zum südlichen Terminus des PCT’s gefahren, von wo aus wir loswandern. Ende Juni versuche ich dann am Lake Tahoe zu sein um von dort einen Zug nach San Francisco zu nehmen, dann einen Flieger nach Europa zu erwischen um letztendlich irgendwie zur Hochzeit meines Bruders zu gelangen. Eine Woche hier in der Heimat und vielen vertilgten Kalorien später mach ich genau das gleiche nur andersherum um dann am Lake Tahoe wieder zu starten und meine verlorenen Hiker-Buddys zu finden. Dann nur noch vor Wintereinbruch in Washington sein um nicht zu erfrieren und tada! Schon ist man in Kanada! Klingt einfach, oder?
Nein, ich weiß. Klingt eigentlich ziemlich verdreht und merkwürdig alles. Die Gerüchte eines Rekord-Schnee-Jahres und die dazugehörigen Insta-Storys von anderen Wanderern, die ich mir seit Tagen anschaue, werden mir heute auch nicht beim Einschlafen helfen. So werden die schlaflosen Stunden eben in eine Spotify-Playlist investiert. Vielleicht hilft mir die ja irgendwann beim einschlafen.